Aktuelles

An dieser Stelle halten wir Sie über aktuelle und interessante Entwicklungen sowie gerichtliche Entscheidungen auf dem Laufenden.


Update 13.12.2021


Wer zahlt beim Sturz auf dem Weg vom Bett ins Homeoffice?


Das Bundessozialgericht (BSG) hat in seinem Urteil vom 08.12.2021 – Az.: B 2 U 4/21 R – festgestellt, dass es sich bei dem dem Urteil zugrundeliegenden Sachverhalt um einen Arbeitsunfall handelte. Der klagende Arbeitnehmer war am Morgen in seinem Schlafzimmer aus seinem Bett aufgestanden und befand sich auf dem Weg ins Homeoffice – sein Büro in der dritten Etage seiner Wohnung. Beim Beschreiten der Treppe in seiner Wohnung stürzte er und verletzte sich an der Wirbelsäule. Die Berufsgenossenschaft lehnte die Zahlungen von Leistungen ab.

 

Nachdem der Kläger vor dem Sozialgericht Klage erhob und das Verfahren gewann, sah dies das Landessozialgericht in der Rechtsmittelinstanz anders mit der Begründung, dass es sich nicht um einen versicherten Betriebsweg gehandelt habe, sondern um eine unversicherte Vorbereitungshandlung, die der eigentlichen Tätigkeit lediglich vorausgehe; erst mit Erreichen des häuslichen Arbeitszimmers zum Zwecke der erstmaligen Arbeitsaufnahme beginne der Unfallversicherungsschutz in einer Privatwohnung.

 

Unter Verweis auf ein Urteil des BSG vom 05.07.2016 – Az.: B 2 U 9/16 R – entschied das BSG nun in der Revisionsinstanz, dass ein Betriebsweg auch im häuslichen Bereich denkbar sei, sofern sich Wohnung und Arbeitsstätte im selben Gebäude befänden. Es sei nicht nachvollziehbar, warum Arbeitnehmer im Homeoffice schlechter gestellt seien als Arbeitnehmer in Präsenz, deren Unfallversicherungsschutz bekanntlich auch nicht erst beim Erreichen des Präsenzarbeitsplatzes beginne.


Der Kläger bekam mithin Recht, auch die Treppenbenutzung auf dem Weg ins Homeoffice galt in diesem Fall als Betriebsweg.



Grunow

Rechtsanwalt


Update 25.10.2021


Der „neue" Bußgeldkatalog

 

Nach langem Hin und Her ist es nun amtlich. Der Bußgeldkatalog wurde reformiert oder, wie es im Juristendeusch heißt: Die Erste Verordnung zur Änderung der Bußgeldkatalog-Verordnung (BKatV-Novelle) tritt in Kraft. Sie wurde am 19.10.2021 im Bundesgesetzblatt (BGBl. I S. 4688) verkündet und gilt ab/seit dem 09.11.2021. Der Bundesrat hat den von Bundesminister Andreas Scheuer und der Verkehrsministerkonferenz getroffenen Beschluss damit umgesetzt.

 

Neben Änderungen beim Parken und Halten, dem Nichtbilden oder unerlaubten Nutzen von Rettungsgassen und weiteren Regelverstößen haben insbesondere die Tatbestände der Geschwindigkeitsverstöße eine Überarbeitung erhalten. Diese können den folgenden Tabellen, die die Geschwindigkeitsverstöße für Fahrzeuge bis 3,5 t nach alter und neuer Rechtslage auflisten, entnommen werden. Alle Angaben selbstverständlich ohne Gewähr.





















Es zeigt sich also: Günstiger ist es nicht geworden. Vielleicht ein Grund mehr, über den Abschluss einer Rechtsschutzversicherung nachzudenken?!



Grunow

Rechtsanwalt

Bußgeldkatalog ab 09.11.2021

Bußgeldkatalog bis 08.11.2021

Überschreitung

innerorts

außerorts

bis 10 km/h

30 EUR

20 EUR

11 bis 15 km/h

50 EUR

40 EUR

16 bis 20 km/h

70 EUR

60 EUR

21 bis 25 km/h

115 EUR

100 EUR

26 bis 30 km/h

180 EUR

150 EUR

31 bis 40 km/h

260 EUR

200 EUR

41 bis 50 km/h

400 EUR

320 EUR

51 bis 60 km/h

560 EUR

480 EUR

61 bis 70 km/h

700 EUR

600 EUR

über 70 km/h

800 EUR

700 EUR

Überschreitung

innerorts

außerorts

bis 10 km/h

15 EUR

10 EUR

11 bis 15 km/h

25 EUR

20 EUR

16 bis 20 km/h

35 EUR

30 EUR

21 bis 25 km/h

80 EUR

70 EUR

26 bis 30 km/h

100 EUR

80 EUR

31 bis 40 km/h

160 EUR

120 EUR

41 bis 50 km/h

200 EUR

160 EUR

51 bis 60 km/h

280 EUR

240 EUR

61 bis 70 km/h

480 EUR

440 EUR

über 70 km/h

680 EUR

600 EUR


Update 17.03.2021


Zehntausende Bußgeldbescheide fehlerhaft?

 

Einer der führenden Hersteller von Messgeräten (Blitzern) ist das Wetzlarer Unternehmen LEIVTEC Verkehrstechnik GmbH. Seit Monaten bereits zweifeln Rechtsanwälte und Sachverständige die Korrektheit von Messungen des Geräts Leivtex XV3 an. Daraufhin wurde die Gebrauchsanweisung geändert, am Messverfahren jedoch nichts.

 

Am 12. März 2021 teilte das Unternehmen nun mit, dass nicht mit der notwendigen Sicherheit ausgeschlossen werden könne, dass es auch bei Beachtung der Regeln der ergänzten Gebrauchsanweisung zu unzulässigen Abweichungen der Messwerte kommen könne.

 

Damit dürften nach unserem Dafürhalten zehntausende Bußgeldbescheide nicht mehr vollstreckt werden können. Das Messverfahren des Geräts Leivtex XV3 kann nach unserer Rechtsauffassung nicht mehr als standardisiertes Messverfahren behandelt werden und die Verfahren gegen die Betroffenen müssten eingestellt werden.

 

Auch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt als zuständige Zulassungsbehörde hat mittlerweile erklärt, dass ihr Erkenntnisse vorlägen, dass auch unter Ver- und Anwendung der neuen Gebrauchsanweisung unzulässige Abweichungen der Messungen erfolgen könnten.

 

Es kann sich also lohnen, Ihren Bußgeldbescheid überprüfen zu lassen!



Grunow

Rechtsanwalt


Update 20.02.2023

 

Neues aus Baden-Württemberg: Auch Beifahrer dürfen keine App zur Anzeige von Blitzern verwenden

 

Das Oberlandesgericht Karlsruhe (OLG) hat in seinem Urteil vom 20.12.2022 – Az.: 2 Orbs 35 Ss 9/23 – festgestellt, dass auch Beifahrer eine App zum Anzeigen von Blitzern – sog. Blitzer-Warn-App – nicht nutzen dürfen, sofern dies dem Fahrzeugführer nutzt.


Was war passiert? Ein Autofahrer war Anfang 2022 mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren und wurde von der Polizei angehalten. Hierbei beobachteten die Polizisten, wie der Mann ein in der Mittelkonsole befindliches Smartphone zur Seite schob. Das Smartphone gehörte seiner Beifahrerin und die Blitzer-Warn-App war eingeschaltet.


Seit langem gibt es den „Rat“ (u.a.) von Verkehrsrechtsanwälten, dass die Verwendung von Blitzer-Warn-Apps dann nicht verboten sei, wenn sie nicht vom Fahrer benutzt würden. Dem hat das OLG Karlsruhe nun einen Riegel vorgeschoben und bezieht sich auf § 23 I lit. c 3 StVO. Gemäß § 23 I lit. c StVO darf derjenige, der ein Fahrzeug führt, ein technisches Gerät nicht betreiben oder betriebsbereit mitführen, das dafür bestimmt ist, Verkehrsüberwachungsmaßnahmen anzuzeigen oder zu stören. Das gilt insbesondere für Geräte zur Störung oder Anzeige von Geschwindigkeitsmessungen (Radarwarn- oder Laserstörgeräte). Bei anderen technischen Geräten, die neben anderen Nutzungszwecken auch zur Anzeige oder Störung von Verkehrsüberwachungsmaßnahmen verwendet werden können, dürfen die entsprechenden Gerätefunktionen nicht verwendet werden.


Nach Ansicht des OLG Karlsruhe reicht es nun auch aus, wenn der Fahrzeugführer weiß, dass sein (-e) Beifahrer (-in) eine solche App verwendet und er von den Erkenntnissen durch diese App profitiert. Der Nachweis, dass der Autofahrer Kenntnis von den Informationen der Blitzer-Warn-App hat, dürfte jedenfalls dann – wie im vorliegenden Fall – leicht zu führen sein, wenn der Autofahrer das Handy beim Eintreffen der Polizei „unauffällig“ zur Seite schiebt. Und auch die Behauptung, dass er von den Informationen der App keine Kenntnis gehabt hätte, dürfte zukünftig wohl als Schutzbehauptung zurückgewiesen werden, da die Sinnhaftigkeit der Nutzung einer Blitzer-Warn-App für Beifahrer (-innen) äußerst begrenzt sein dürfte…


Daher die Warnung an all jene, die sich auf den bisherigen Ratschlag verließen, dass einem nichts passieren könne, so lange die Blitzer-Warn-App nicht von einem selbst, sondern von anderen Fahrzeuginsassen benutzt werde, dass dies auch von anderen Gerichten der ersten Instanz nunmehr anders beurteilt werden dürfte. Sofern wir Kenntnis davon erhalten sollten, dass sich wider Erwarten ein Amtsgericht nach dem Urteil des OLG Karlsruhe doch zu einer anderen Rechtsauffassung durchringen können sollte, werden wir es gern kundtun.


Die Geldbuße beträgt im Übrigen 100,00 EUR und sie ist mit einem Punkt im Fahreignungsregister („Flensburger Verkehrssünderkartei“) bewehrt.

 

 

Grunow
Rechtsanwalt



Update 01.03.2022


Neues aus Bayern zur Handynutzung beim Autofahren


Beliebte Verteidigungsstrategie eines Betroffenen im Ordnungswidrigkeitenverfahren war stets das Behaupten, dass das während der Fahrt benutzte Mobiltelefon nicht gehalten, sondern lediglich auf dem Oberschenkel abgelegt wurde.


Denn: § 23 I a StVO schreibt vor,



(1a) Wer ein Fahrzeug führt, darf ein elektronisches Gerät, das der Kommunikation, Information oder Organisation dient oder zu dienen bestimmt ist, nur benutzen, wenn


1. hierfür das Gerät weder aufgenommen noch gehalten wird und


2. entweder


a) nur eine Sprachsteuerung und Vorlesefunktion genutzt wird oder


b) zur Bedienung und Nutzung des Gerätes nur eine kurze, den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen angepasste Blickzuwendung zum Gerät bei gleichzeitig entsprechender Blickabwendung vom Verkehrsgeschehen erfolgt oder erforderlich ist.


Insofern wurde bei nur unzureichend ausgefüllten Ordnungswidrigkeitenanzeigen der Polizei vom Betroffenen in der Hauptverhandlung gern behauptet, dass das Handy nicht aufgenommen oder gehalten wurde, sondern lediglich auf dem Oberschenkel abgelegt wurde und sich dort befand.


Dem hat das Bayerische Oberlandesgericht (BayObLG) nun einen Riegel vorgeschoben:


Es hat in seiner Beschlussbegründung ausgeführt, dass auch das auf dem rechten Oberschenkel liegende Mobiltelefon gehalten wird, auch wenn es abgelegt wurde. Hierfür wurde gar der Duden bemüht, nach dem „Halten“ sowohl „Festhalten“ meinen kann, andererseits aber auch „Bewirken, dass etwas in seiner Lage, seiner Stellung oder Ähnlichem bleibt“. Hierbei führt das BayObLG unter Bezugnahme auf bspw. einen Beschluss des Oberlandesgerichts Köln auch aus, dass auch das Nutzen eines Mobiltelefons zwischen Schulter und Ohr oder sonstiges Verbleiben eines elektronischen Geräts in sonstiger Weise mit Hilfe der menschlichen Muskulatur in seiner Position unter den Begriff des „Haltens“ fällt.


Fast schon lyrisch wird es, wenn das BayObLG ausführt: „Wie die Staatsanwaltschaft in ihrer Rechtsbeschwerde zutreffend darlegt, kann ein Mobiltelefon während der Fahrt, verbunden mit den damit einhergehenden Geschwindigkeits- und Richtungsänderungen, nicht allein durch die Schwerkraft auf dem Schenkel verbleiben, sondern es bedarf bewusster Kraftanstrengung, um die Auflagefläche so auszubalancieren, dass das Mobiltelefon nicht vom Bein herunterfällt. Auch dieses durch menschliche Kraftanstrengung bewirkte Ausbalancieren unterfällt dem Begriff des Haltens.“


Dass der Senat des BayObLG dabei von der Verordnungsbegründung (StVO) abweicht, in der ausgeführt wird, dass unter „Halten“ ein „in der Hand Halten“ zu verstehen ist, ist ihm bewusst, er nimmt es jedoch in Kauf...


..ob Konrad Duden dies auch so sehen würde, dürfte in Anbetracht seines Todes vor mittlerweile gut 110 Jahren nicht mehr aufklärbar sein. Spannend ist eher die Frage, ob sich die Berliner Richterschaft der erheblichen Ausdehnung des Wortlauts des § 23 StVO ebenfalls anschließen wird - dies bleibt abzuwarten.


Lektüreempfehlung zum Nachlesen: Beschluss des Bayerischen Oberlandesgerichts vom 10.01.2022 zum Aktenzeichen 201 ObOWi 1507/21



Grunow

Rechtsanwalt